Der Gleichklang-Blog

März 17, 2011

Stiftung Warentest zur Online-Partnersuche: Eine tragfähige Analyse?


Nun hat auch die Stiftung Warentest (siehe hier)  erneut eine Bewertung von Singlebörsen und Partnervermittlungen im Internet vorgenommen. Untersucht wurden dabei allerdings ausschließlich die großen Anbieter, die den Werbemarkt dominieren oder in Kooperation mit führendenVerlagshäusern und daher aus den Medien besonders bekannt sind.

Die Untersuchung des Dating-Marktes im Internet ist  eine ehrenwerte und wichtige Aufgabe. Eine Durchsicht von Vorgehen und Befunden der Stiftung Warentest  lässt allerdings Zweifel aufkommen, ob die hier angewandte Methodologie und Kriterien  dem Thema gerecht wurden und vor allem, ob der Titel der Studie „Partnerbörse – wo sich die Suche lohnt“ überhaupt eingelöst wird.

Im Einzelne ist vorwiegend folgende Kritik an dem Vorgehen der Stiftung Warentest zu äußern:

1. Nicht die Zielgruppe repräsentierender Zugang

Bei jedem der untersuchten Dating-Anbieter meldeten sich zwei Test-Singles an. Angaben über diese Personen, wie Dauer des Single-Dasein, Alter, Bildung und Ausbildung, Alleinerziehenden-Status, Ernsthaftigkeit der Partnersuche, Engagement für die Partnersuche, Veränderungsbereitschaft etc. fehlen. Aber bereits die Anzahl von zwei Test-Singles ist bei weitem zu gering, um auch nur eine annähernd zuverlässige  und generalisierbare Aussage zu ermöglichen. Sinnvolle Vergleiche sind damit  nicht umsetzbar.

2. Unangemessene Testdauer

Die Test-Singles  verblieben jeweils 3 Monate bei einer einzelnen Singlebörse oder Partnervermittlung.  Dies wird der Komplexität und den zeitlichen Erfordernissen des Prozesses der Partnersuche nicht gerecht. Die Passungs-Anforderungen, damit zwei Menschen als Partner miteinander durch das Leben gehen wollen,  sind sehr hoch. Neben direkt erfragbaren gehen hier auch unzählige interindividuell stark differierende und subjektive Aspekte ein. Partnersuche ist so hochgradig komplex und gleichzeitig kann ihr positiver Abschluss eines der wichtigsten Ereignisse im Leben eines Menschen sein. Die Festlegung einer Suchzeit von 3 Monaten mag für die Tester zeitökonomisch und billig sein, ist aber für den Prozess der Partnersuche gänzlich ungeeignet. Eine Testzeit von 1-2 Jahren wäre angemessener gewesen und hätte Einblicke geben können in die alles entscheidende und in Wirklichkeit allein interessierende Frage: Finden Menschen bei Nutzung einer Dating-Struktur Partnerschaft oder nicht.

3. Reinfall auf Kostenlosigkeit als Qualitätskriterium

Stiftung Warentest wertet Agenturen auf, die eine kostenlose Mitgliedschaft ermöglichen. Auch ein kostenloses Ausprobieren wird als Qualitätsmerkmal bewertet. Jenseits zu eng denkender Werbelogik ist aber das Gegenteil der Fall: Wer kennt es nicht, ein kostenloses Angebot einfach einmal so zum Ausprobieren zu nutzen? Wer weiß nicht, dass sich bei kostenlosen Dating-Agenturen oft auch die gleichen Mitglieder gleich mehrfach mit divergierenden Angaben eintragen, kostet ja nichts?  Und bedeutet Ausprobieren nicht, dass nahezu jeder sich einfach die Profile der Mitglieder anschauen kann, selbst wenn gar kein ernsthaftes Interesse an einer Partnersuche besteht?  Wir haben keinen Zweifel, dass jedes kostenlose Angebot im Dating-Bereich zum Einstrom von unseriösen, unechten und  unlauteren Profilen führt, so dass man am Ende den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Wer demgegenüber bereit ist, für die Partnersuche auch einen fianziellen Beitrag zu leisten, der meint es ernst und wenn sich ein Anbieter allein auf solche Mitglieder konzentriert, dann steigt die Datei-Qualität.

4. Keine Analyse angewandter Fragebögen

Stiftung Warentest hat keine Versuche unternommen, die für die Vermittlung letztlich ausschlaggebenden Fragebögen auf ihrer wissenschaftliche Güte (Messzuverlässigkeit, Validität) zu untersuchen oder bei den Firmen entsprechende Daten nachzufragen. Stattdessen werden subjektive und unkritische Wertungen verbreitet, die keinen Bezug zu von der Psychologie erarbeiteten psychometrischen Gütekriterien aufweisen.  Die behauptete Wissenschaftlichkeits-Charakter einiger Anbieter bleibt so gänzlich ungeprüft und eine vergleichende Analyse ist nicht möglich.

5. Überbewertung von Spielereien und Unterhaltungswert

Es mag der Unterhaltung, der Chatfreude, womöglich aber auch der Kurzlebigkeit und Oberflächlichkeit dienen, wenn Mitglieder sich Herzchen und andere Späßchen zusenden können. Für einen tiefergehenden Kommunikationsprozess sollten derartige Spielereien aber nicht überbewertet werden. Völlig unklar bleibt, inwiefern sie wirklich den Prozess der Partnersuche fördern. Wenn ein Anbieter Spaß und Unterhaltung verspricht, ist die Berücksichtigung spielerischer Elemente bei der Qualitätsbeurteilung sicherlich angemessen. Wenn aber die Ernsthaftigkeit der Partnersuche durch einen Anbieter in den Vordergrund gestellt wird und eine angemessene Kommunikationsmöglichkeit durch eigene Sprache der Mitglieder untereinander geschaffen wird, sollte die Erfüllung von Unterhaltungswerten bei der Qualitätsbewertung in den Hintergrund treten.

6. Quantität vor Qualität

Auch die Anzahl der Vorschläge werden im Text als Qualitätsmerkmal erwähnt. Dabei zeigen erste wissenschaftliche Untersuchungen, dass bei steigender Auswahl auch die Chancen sinken mögen (siehe hier). Grund ist, dass viel Auswahl auch viel Abwechslung und viel Verunsicherung bedeuten mag, auch viel Konkurrenz untereinander. Dadurch mag die Bereitschaft, in einen Bindungsprozess zu einer Person einzutreten,  sinken.  Stiftung Warentest reduziert die Prüfung hier auf einen Quantitätsfaktor, vernachlässigt aber die wesentliche Frage der Qualität der Vorschläge.

7. Groß immer besser als klein?

Die Auswahl der Anbieter ist enttäuschend. Ausschließlich Anbieter mit Riesendateien, die den Mainstream bedienen, wurden bei der Untersuchung herangezogen. Doch „groß“ muss nicht immer besser sein und wer sich an allen und jeden wendet, mag individuelle Besonderheiten von Menschen und ihrer Partnersuche verfehlen.

8. Sozialverträglichkeit bleibt ausgespart

Liebe und Partnerschaft sind menschliche Urbedürfnisse. Sie tragen entscheidend zu Lebensglück und individuellem Wohlbefinden bei.  Bei gleichem Bedürfnis nach Partnerschaft unterscheiden sich die finanziellen Möglichkeiten. Wie Dating-Anbietter mit dieser Thematik umgehen und ob bzw. wie sie dazu beitragen, dass alle Menschen – unabhängig von ihrem Einkommen – in gleicher Art und Weise von ihrem Angebot profitieren können, wird durch Stiftung Warentest nicht untersucht.

9. Verfehlung des eigentlichen Erfolgskriteriums

Das Vorgehen von Stiftung Warentest war einfach und preiswert umzusetzen, führte zu schnellen Resultaten, die sofort veröffentlichbar waren. Aber es verfehlt in Gänze das eigentliche Zielkriterium. Untersucht werden Nebenkriterien anstatt des eigentlichen Hauptkriteriums. Man erfährt viel und davon das meiste aus subjektiver Sicht. Gar nichts aber erfährt man über die Erfolgsaussichten für den Aufbau tragfähiger partnerschaftlicher Beziehungen über das Internet. Damit löst  Stiftung Warentest den Titel ihres Berichtes „Partnerbörsen – wo sich die Suche lohnt“ sicherlich nicht ein. Ganz nach dem Motto: Anliegen ehrenwert, Thema verfehlt!

Kritik ist immer leicht. Wie könnte man, wie könnte Stiftung Warentest es  künftig tun?

Erforderlich wäre eine Untersuchung, die einen zeitlichen Verlauf von mindestens einem Jahr berücksichtigt. Im besten Fall sollten dann in den Folgejahren Nachbefragungen stattfinden, auch zur Dauerhaftigkeit und Zufriedenheit der gefundenen partnerschaftlichen Beziehungen. Pro Dating-Plattform sollten sicherlich 20 Singles teilnehmen, 10 Frauen und 10 Männer. Alles, was weniger ist, erlaubt keinerlei auch nur halbwegs generalisierbaren statistischen Schluss. Die Teilnehmer sollten im Hinblick auf einige relevante Merkmale zwischen den Dating-Plattformen parallelisiert werden (Alter, Geschlecht, Gesundheit, Dauer des Single-Dasein, Alleinerziehenden-Status, Umzugsbereitschaft, selbst benannte Bereitschaft zum Engagement und zur Bedeutsamkeit einer partnerschaftlichen Beziehung, Geografischer Wohnort und Suchraum), wenigstens sollten diese Informationen aber erhoben und als Kontrollvariablen in die nachfolgenden Analysen einführt werden.

Undurchführbar?

Datenerhebung und Auswertung befinden sich durchaus im Bereich des Machbaren, auch wenn wir nichts über die Finanzen der Stiftung Warentest wissen. Auch sollte es möglich sein, echte Test-Singles zu finden, die bereit sind, sich ernsthaft auf die Vermittlung einzulassen. Nicht sinnvoll wäre es, wenn die Test-Singles bei den kostenpflichtigen Angebvoten alles geschenkt bekämen. Denn die Kostenpflicht soll ja gerade auch ein Mechanismus sein, um die Ernsthaftigkeit der Suche zu gewährleisten. Aber sicherlich wären die Anbieter bereit, besondere Ermäßigungen zu geben, die es erleichtern würden, Test-Singles zu rekrutieren. Am besten wäre es, wenn jeder Test-Single einenmoderate Eigenbeitrag leistet als Zeichen der Motivation und Ernsthaftigkeit der Suche. Es würde länger dauern bis publizierbare Ergebnisse resultierten, deren Wert wäre aber ungleich höher als die jetzigen Befunde, deren Aussagekraft mindestens fragwürdig wenn nicht weitgehend wertlos ist.

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